Auf ihrer Vollversammlung an 21. September hat die IHK-Organisation zehn Sofort-Maßnahmen beschlossen, die die Versorgung sicherer machen und die Energiekostenbelastung für die Unternehmen verringern könnten.
Energiekrise: Was die Wirtschaft jetzt braucht
Hier können Sie die wichtigsten Kernpunkte nachlesen:
Zehn Sofortmaßnahmen gegen die Energiekrise
Um die Versorgung mit Strom zu erhöhen, müssen jetzt sämtliche verfügbaren Stein- und Braunkohlekraftwerke sowie Ölkraftwerke schnell zurück in den Markt geholt werden. Sie solle dazu beitragen, Gaskraftwerke zu ersetzen und damit die Strompreise zu dämpfen. Die rechtlichen Grundlagen stehen, kommen aber bislang aufgrund restriktiver Vorgaben und mangelnder Planungssicherheit kaum zum Tragen.
Dabei könnten in kurzer Zeit 5,5 Gigawatt aus der Netzreserve und weitere 1,9 Gigawatt aus der Versorgungsreserve in den Markt zurückgeholt werden. Entscheidend ist jetzt ein schneller und unbürokratischer Weg für zusätzliche Kapazitäten über die gesamte Krisenzeit hinweg.
Die Nutzung der Kernkraft zur Stromerzeugung ist in der Wirtschaft umstritten, angesichts der aktuellen Notsituation steht allerdings eine Mehrheit der Unternehmen hinter einer kurzfristigen Weiternutzung. Diese könnte dazu beitragen, die Strompreise zu dämpfen, die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken zu verringern und die Versorgung und Systemstabilität in Deutschland zu sichern.
Bis zum Winter 2023/2024 sollten zudem möglichst die rechtlichen, technischen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die 2021 vom Netz gegangenen Kernkraftwerke wieder für die Zeit der Krise betreiben zu können.
Mit den extremen Preise an den Märkten für Strom und Gas sind weite Teile der deutschen Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig. Ein kurzfristiger Eingriff auf europäischer Ebene erscheint daher gerechtfertigt, solange er auf die Krise begrenzt bleibt und die Funktionsfähigkeit des Terminmarkts nicht beeinträchtigt. In Zusammenhang mit der Abschöpfung von sogenannter Zufallsgewinnen schlägt die IHK-Organisation ebenfalls eine europäische Lösung vor, wobei die Umsetzung den Mitgliedsstaaten vorbehalten bleiben sollte.
Die IHK-Organisation schlägt daher vor, dass Betreiber von Anlagen mit Grenzkosten deutlich unterhalb der aktuellen Marktpreise in der Energiekrisenzeit eine moderate Solidaritätsabgabe leisten sollten.
Zur wirksamen Entlastung der betroffenen Unternehmen im Sinne eines Preisdeckels sind sowohl eine Orientierung an den Corona-Hilfen als auch ein vergünstigtes Grundkontingent für Strom und Gas denkbar. Zur Finanzierung könnte neben der Solidaritätsabgabe der Betreiber von Erzeugungsanlagen mit geringen Grenzkosten auch auf Mittel aus dem Transformations- und Klimaschutzfonds sowie auf Rücklagen des EEG-Kontos und gegebenenfalls auch auf Haushaltsmittel zurückgegriffen werden.
Zudem sollte geprüft werden, ob alle Energietransportmöglichkeiten bereits voll ausgeschöpft werden und neue Möglichkeiten geschaffen werden können, um die Lage zu entspannen.
Eine Übernahme der Stromumlagen in den Staatshaushalt würde die Wirtschaft entlasten und Bürokratie abbauen. Die neu eingeführten Umlagen auf Gasspeicher, Gasbeschaffung sowie die Anhebung der Regelenergieumlage belasten Unternehmen zusätzlich. In der Summe verteuert das den Gasverbrauch nochmals um über 3 Cent pro Kilowattstunde.
Bei der Gasbeschaffungsumlage und der Speicherumlage kommt hinzu, dass sie im Rhythmus von drei Monaten angepasst werden können und dadurch die Planungssicherheit beeinträchtigt wird. Die Umlagen sollten daher ebenfalls in den Staatshaushalt übernommen werden.
Die europäische Energiesteuer-Richtlinie sieht lediglich Mindeststeuersätze für die verschiedenen Energieträger vor. Daher kann die Stromsteuer in Deutschland im Einklang mit europäischen Vorgaben von 2,05 auf 0,05 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden. Die Wirtschaft wäre dadurch um circa 3 Milliarden Euro entlastet.
Auch die Energiesteuer für Gas sollte auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden.
Der nationale und der europäische Emissionshandel sind und bleiben zentrale Elemente, um die Treibhausgasminderungsziele zu erreichen. In der Energiekrise sollte das nationale Emissionshandelssystem (BEHG) jedoch bis mindestens Ende 2024 ausgesetzt und die Aufnahme von Kohle und Abfall in die nationale CO2-Bepreisung ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt verschoben werden.
Die aktuellen Beschaffungspreise sind so hoch, dass eine zusätzliche Lenkung nicht mehr stattfindet. Zudem sollte das BEHG so rasch wie möglich durch ein europäisches System ersetzt werden, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt zu vermeiden.
Immer mehr Unternehmen erhalten keine Angebote für die Belieferung mit Strom und/oder Gas mehr. Die Bundesregierung sollte deshalb rasch das Recht auf Ersatzversorgung auf alle Spannungsebenen und Druckstufen ausweiten. Die Ersatzversorgung könnte etwa über eine Belieferung zum jeweils aktuellen Spotmarktpreis umgesetzt werden.
Damit Energieversorger wieder in der Lage sind, Terminangebote zu machen, muss unter anderem das KfW-Programm zum Margining dringend einfacher gestaltet werden.
Für den Winter können Abschaltungen von großen Stromverbrauchern aufgrund von Gasknappheit, Mangel an kurzfristigen Alternativen, fehlenden Netzen und Problemen der Stromerzeugung europäischer Nachbarstaaten nicht ausgeschlossen werden. Ein geeignetes Absicherungsinstrument hat die Bundesregierung im Sommer auslaufen lassen: die Verordnung abschaltbare Lasten. Hier sollte die Bundesregierung dringend eine Nachfolgeregelung finden.
Das von der Bundesregierung konzipierte Gasauktionsmodell ist aus Sicht des DIHK sinnvoll, aber nicht ausreichend: Es kommt erst zum Einsatz, wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen und eine Gasmangellage unmittelbar bevorsteht.
Daher ist zusätzlich und kurzfristig ein Modell notwendig, das darauf abzielt, Gas für die Einspeicherung verfügbar zu machen. Größere Gasabnehmer bekommen so weitere Anreize, ihren Verbrauch zu reduzieren und eine weitere Befüllung der Speicher zu ermöglichen.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird nach wie vor durch zu viel Bürokratie und behindernde Vorschriften belastet. Dadurch kann heimische Energie nicht oder nur weniger effizient genutzt werden. So müssen etwa Windkraftanlagen zu oft abgeschaltet werden oder Genehmigungen für Geothermie sind zu aufwendig. Zudem wird der Wechsel von Gas auf andere Energieträger immer noch durch Genehmigungsverfahren behindert.
Zudem sieht ein großer Teil der Wirtschaft in einer stärkeren Förderung von heimischen Gasen inklusive Schiefergas einen wichtigen Beitrag zur Entspannung der Versorgungslage. Auch hierfür sollten gesetzliche Hürden abgebaut werden. Ebenso sollten die Auswirkungen des ab 2023 geltenden Ölembargos so gering wie möglich gehalten werden.