Kommt Bewegung in die deutsche Unternehmen- und Einkommensteuer? Am 12. Juli überreichten gleich zwei Expertenkommissionen Vorschläge zur Modernisierung und vor allem zur Vereinfachung des Steuersystems an Bundesfinanzminister Christian Lindner.
DIHK an Vorschlägen für einfacheres Steuersystem beteiligt
Steuern geht auch einfach!Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat sich bei einem wichtigen Thema für die Interessen der Unternehmen stark gemacht: die deutliche Vereinfachung der Besteuerung. Rainer Kambeck, der bei der DIHK den Bereich Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand leitet, gehörte der Kommission "Bürgernahe Einkommensteuer" an, die unter anderem Maßnahmen für eine wesentliche Vereinfachung bei der Besteuerung von Freiberuflern, Selbstständigen und Gewerbetreibenden eingebracht hat. Diese Kommission setzt sich unter anderem dafür ein, die bestehenden, komplexen Abschreibungsregelungen zu entschlacken, mit denen Millionen steuerpflichtige Unternehmen zu kämpfen haben.
In der Kommission "Vereinfachte Unternehmensteuer" waren mit Kirsten Birnbaum (SAP SE), Thomas Dierichs (Diehl Stiftung & Co. KG) und Werner Thumbs (Profunda Verwaltungs-GmbH) gleich drei Mitglieder des DIHK-Finanz- und Steuerausschusses vertreten. Die Vorschläge dieser Kommission zielen auf die Bereinigung eines historisch gewachsenen, aber zunehmend als ineffizient und bürokratisch erkannten Regelungsgeflechts, das Unternehmer und Unternehmen auf breiter Front daran hindert, ihre verfügbaren Ressourcen nach Maßgabe betriebswirtschaftlicher Chancen einzusetzen.
Leichter abschreiben ohne 100 AfA-Tabellen
Die Expertinnen und Experten der Kommission Bürgernahe Einkommensteuer empfehlen, die Grenze, bis zu der "geringwertige Wirtschaftsgüter" (GWG) sofort abgeschrieben werden können, von derzeit 800 auf 2.500 Euro anzuheben. Für sogenannte Sammelposten – die in einer Liste aufgeführten Güter, die als Summe über mehrere Jahre abgeschrieben werden – soll die Grenze von 1.000 auf 10.000 Euro steigen; in der "Wachstumsinitiative" der Bundesregierung ist immerhin schon eine Anhebung auf 5.000 Euro vorgesehen. Die Sammelposten sollten zukünftig in drei statt bislang fünf Jahren abgeschrieben werden können.
Noch radikaler ist der Vorschlag in Bezug auf teurere Wirtschaftsgüter: Die Sätze für deren "Abschreibung für Abnutzung" (AfA) hat das Bundesfinanzministerium in derzeit mehr als 100 Tabellen festgelegt. Die Kommission empfiehlt, diese Listen komplett abzuschaffen und stattdessen Anschaffungen ab einem Wert von 10.000 Euro (also für alle Güter, die nicht in den Sammelposten kommen) in drei oder vier Gruppen einzuordnen. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Gruppe ist die erwartete Nutzungszeit eines Gutes, etwa in den Zeitspannen bis 10 Jahre, 11 bis 20 Jahre und über 20 Jahre. Für jede Gruppe wird nur ein einheitlich anzuwendender Abschreibungssatz festgelegt.
Praktikabel statt gefühlt präzise
"Eine solche Gruppierung brächte eine deutliche Vereinfachung", kommentiert Rainer Kambeck diesen Vorschlag der Expertenkommission. "Wenn man so grobe Nutzungsgruppen bildet, kann man zwar nicht mehr kleinteilig – vermeintlich – exakte Nutzungsdauern und damit Wertminderungen eines Wirtschaftsgutes im Zeitablauf berücksichtigen. Wichtig ist aber die Feststellung, dass es sich am Ende immer um Schätzungen von Nutzungsdauern handelt. Das trifft auch auf die AfA-Tabellen zu, auch wenn deren Kleinteiligkeit und der entsprechende Zuordnungsaufwand etwas anderes suggeriert."Wie lange eine Maschine, Anlage oder ein anderer Vermögensgegenstand genutzt werden könne, hänge von vielen Faktoren ab, die zum Zeitpunkt der Anschaffung oder der Herstellung des Wirtschaftsgutes gar nicht bekannt seien, erläutert der DIHK-Steuerchef. "Den wichtigsten Einfluss hat der technische Fortschritt, und hier helfen Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oftmals nicht weiter. Klar ist aber, dass aufgrund des immer schnelleren technischen Fortschritts die Produktlebenszyklen immer kürzer werden."
Einfache Ansätze ausprobieren und überprüfen!
Nach Kambecks Einschätzung können die Vorschläge der Kommission in Bezug auf die Abschreibungen dazu beitragen, die Unternehmensbesteuerung deutlich einfacher zu gestalten – und das ohne wesentliche Nachteile bei einer realistischen, marktgerechten Bewertung des Betriebsvermögens.
"Sollte die Politik den Mut haben, diese Vorschläge aufzugreifen, müssten die Änderungen freilich auch im Handelsrecht übernommen werden", stellt er klar. Denn eine Auflösung der AfA-Tabellen bewirke bei bilanzierenden Unternehmen nur dann eine Verbesserung, wenn die Änderungen auch handelsrechtlich nachvollzogen werden könnten. "Andernfalls bestünde die Gefahr, dass steuerlich und handelsrechtlich in vielen Fällen unterschiedlich bewertet und abgeschrieben würde", warnt Kambeck. "Dadurch würde bei den Unternehmen eher ein noch höherer Aufwand entstehen."
Die Kommission empfiehlt: Ausprobieren und überprüfen! Bei grundlegenden Änderungen des Steuerrechts – im hier diskutierten Fall den Abschreibungsvorschriften des Einkommensteuerrechts – sollten demnach in die neuen Abschreibungsregelungen Vorschriften zur Evaluierung der Praxistauglichkeit mit aufgenommen werden. Damit ließe sich überprüfen, ob die vereinfachenden Regelungen ein zutreffendes Bild der Ertrags- und Vermögenslage eines Unternehmens zeichnen und ob die Vereinfachungsziele auch tatsächlich erreicht werden.
Auch die Politik erkenne den Handlungsbedarf, berichtet Kambeck, das lasse sich aus den Ansätzen in der Wachstumsinitiative erkennen. "Nun hoffen wir, dass die Anregungen möglichst umfassend umgesetzt und so die Investitionsbedingungen für die Unternehmen deutlich verbessert werden."
Mehr Infos zur Anhörung und die Vorschläge der Kommissionen gibt es auf der Website des BMF.