"Wir müssen alles daransetzen, Deutschlands Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zu bringen": Das fordert Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), anlässlich des diesjährigen Münchener Spitzengesprächs der Deutschen Wirtschaft.
Zu ihrem traditionellen Treffen am Rande der Handwerksmesse in München veröffentlichen Peter Adrian und die Verbandspräsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) auch in diesem Jahr eine gemeinsame Erklärung. Darin skizzieren sie, was aus Sicht der Wirtschaft passieren muss, damit in Deutschland Wachstum und Beschäftigung wieder zulegen können.
Nötig seien "Reformen für die gesamte Breite der Wirtschaft und eine verlässliche Wirtschaftspolitik, die das Vertrauen der Wirtschaft verdient", bringt Adrian die Forderungen auf den Punkt. Die Unternehmen benötigten weniger Kosten, mehr Freiheit, höheres Tempo – und verlässliche Zukunftsaussichten. "Dazu sind jetzt die richtigen Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik notwendig."
Das betreffe die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren – laut Adrian "noch immer eines der größten Hemmnisse für Investitionen". Hier lägen zahlreiche sinnvolle Vorschläge zur Beschleunigung auf dem Tisch und seien sogar schon von Bund und Ländern beschlossen. "Die neue Bundesregierung sollte die Beschlüsse des Paktes deshalb mit einem umfassenden Gesetz umsetzen", so der DIHK-Präsident. "So ließe sich schnell und einfach ein Turbo für Infrastruktur- und Investitionsprojekte aktivieren."
Schulden allein lösen keine Probleme
Dies sei "umso wichtiger angesichts des gewaltigen Sondervermögens mit dem CDU/CSU und SPD den Ausbau der Infrastruktur angehen wollen". Ohne eine umfassende Verfahrensbeschleunigung, zusätzliche Anstrengungen zur Fachkräftesicherung und massiven Bürokratieabbau könne ein milliardenschwerer Infrastrukturfonds "vor allem zu immensen Kostensteigerungen führen", warnt er.
Entlastungen bei den immens gestiegenen Kosten zählt Adrian zu den wichtigsten Hebeln für Wachstum. "Richtigerweise haben CDU/CSU und SPD im Sondierungspapier eine Senkung der Stromsteuer für alle Branchen auf das europäische Mindestmaß und eine Bezuschussung der Netzentgelte angekündigt", lobt er. Diese von der Wirtschaft seit Jahren geforderten Schritte müssten "nach der Regierungsbildung schnellstmöglich umgesetzt werden".
Bei steuerlichen Entlastungen bleibt das Sondierungspapier nach Einschätzung des DIHK-Präsidenten "jedoch blass". Dabei könne eine neue Bundesregierung mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags und schnelleren steuerlichen Abschreibungen auch hier schon innerhalb weniger Wochen wirksame Entlastungen auf den Weg bringen, so Adrian.
"Wir als Unternehmer übernehmen gerne Verantwortung, wenn unsere Betriebe das dafür notwendige Vertrauen sowie ihre unternehmerische Freiheit von der Politik zurückbekommen", so sein Appell. Nun müsse die Politik "dringend die notwendigen Reformen anstoßen und uns Unternehmerinnen und Unternehmern wieder eine verlässliche Zukunftsperspektive bieten".
Die wesentlichen Stellschrauben benennt die DIHK auch in der gemeinsamen Erklärung mit BDA, BDI und ZDH, hier im Wortlaut:
"Unternehmerisches Engagement ist in Deutschland schwieriger geworden. Die Belastungen durch Energiekosten und Steuern sind hoch. Die Beiträge der Sozialversicherungen steigen. Der Fachkräftemangel und unnötige Regulierungen wirken wachstumshemmend. Während Investitionen ausbleiben und Kapital aus Deutschland abfließt, verliert der Standort Deutschland im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit. Zudem belastet die Handelspolitik des neuen US-Präsidenten unsere langjährigen engen Wirtschaftsbeziehungen mit den USA.
Es ist richtig, dass CDU/CSU und SPD in dieser Situation versuchen, schnell eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas unterstützen wir ausdrücklich. Sicherheit ist Grundlage für unsere Werte, unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland muss aus Sicht der Wirtschaft in seinen internationalen Bündnissen mehr Verantwortung übernehmen und verlässlicher Partner sein.
Grundlage für eine souveräne Politik Deutschlands ist eine starke Wirtschaft. CDU/CSU und SPD müssen daher eine wirtschafts- und sozialpolitische Reformagenda aufsetzen, die zu mehr Dynamik führt. Diese Dynamik muss selbsttragend und nicht nur schuldenfinanziert sein. Das Sondierungsergebnis von CDU/CSU und SPD liefert dafür noch nicht die ausreichende Grundlage. Die geplanten Entlastungen bei den Energiekosten sind richtig. Darüber hinaus bleiben viele Punkte vage. Die dringend notwendigen Strukturreformen in den Sozialversicherungen werden gar nicht angepackt. CDU/CSU und SPD müssen in den Koalitionsverhandlungen weitergehen und eine mutige Reformagenda schnüren.
BDA, BDI, DIHK und ZDH stehen für konstruktive Gespräche bereit, um den Standort Deutschland attraktiver zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland zu stärken.
Aus Sicht der Wirtschaft sollten folgende Punkte prioritär angegangen werden:
Die Steuerbelastung der Unternehmen und Betriebe muss spürbar reduziert werden. Ziel muss ein international wettbewerbsfähiges Niveau sein.
Der Standort Deutschland braucht international konkurrenzfähige Energiepreise (Strom, Gas, Wasserstoff) und mehr Versorgungssicherheit.
Die sozialen Sicherungssysteme müssen dringend reformiert werden, um sie finanzierbar, zukunftsfest und generationengerecht zu gestalten und Unternehmen nicht zu überfordern.
Die Belastung der Wirtschaft mit Bürokratie muss deutlich gesenkt, Berichts- und Dokumentationspflichten systematisch abgebaut werden.
Zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren bremsen Wachstum und Innovationen in der Wirtschaft. Daher sind sämtliche Verfahren über alle Fachgesetze hinweg zu vereinfachen und zu verkürzen. Wir plädieren insbesondere für eine schnelle Umsetzung des Bund-Länder- Pakts.
Weite Teile der für die Wirtschaft notwendigen Infrastruktur weisen erhebliche Defizite auf und müssen dringend saniert oder ausgebaut werden. Dies gilt insbesondere für die Verkehrswege sowie das Energienetz (Strom-, Gas-, Wasserstoff- und CO2-Netz). Die Rahmenbedingungen für den Ausbau der digitalen Infrastruktur müssen verbessert werden.
Innovationen sind in einem Hochkostenland wie Deutschland die Grundlage zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit. Es muss am 3,5-Prozent-Ziel festgehalten, der Transfer verbessert und die Dual-Use-Forschung intensiviert werden.
Zur Sicherung eines hinreichenden Fachkräfteangebots ist eine umfassende Gesamtstrategie notwendig, die die Erschließung aller inländischen Potenziale und die Gewinnung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte umfassen muss. Bildung muss über alle Ebenen hinweg eine wesentlich höhere Bedeutung bekommen. Insbesondere die Berufliche Bildung muss gestärkt werden.
Die Politik muss die grundrechtlich geschützte Tarifpartnerschaft und Tarifautonomie respektieren. Die sich wiederholenden politischen Einflussnahmen auf die unabhängige Mindestlohnkommission müssen abgestellt werden. Um die Gestaltungsspielräume der Sozialpartner zu erweitern, sollten Tariföffnungsklauseln geschaffen werden.
Die EU muss sich angesichts der Ankündigungen des US-Präsidenten für Verhandlungen mit den USA einsetzen, die gegenseitige Zölle möglichst vermeiden und die zu dauerhaften, für beide Seiten vorteilhaften Lösungen führen. Trumps Zollankündigungen erhöhen den Druck auf die EU, die eigenen Diversifizierungsbemühungen zu verstärken. Die neue Bundesregierung sollte dabei für mehr Flexibilität und pragmatische Ansätze in den Verhandlungen über neue Handelsverträge werben."