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"Endlich wieder über Wirtschaft reden"

Helena Melnikov im Interview mit dem "Handelsblatt"
Helena Melnikov Interviewsituation

DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov: "Es gibt so viel zu tun"

© DIHK / Werner Schuering

In ihrem ersten Interview als Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat Helena Melnikov einen raschen und grundlegenden Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik angemahnt. Die nächste Bundesregierung müsse "die Chance ergreifen, unser Land mit einer neuen Wirtschaftspolitik wieder in Richtung Zukunft zu führen", sagte sie.

Die deutsche Wirtschaft sei glücklicherweise stark mittelständisch geprägt, die Betriebe damit tief verwurzelt, betonte Melnikov im Gespräch mit dem "Handelsblatt". Viele Unternehmen, die wieder Wachstum ermöglichen könnten, seien noch da. 

"Aber wir rasen jetzt auf die letzte Ausfahrt zu", warnte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Ich habe so eine schlechte Stimmung und so schlechte Zahlen noch nie gesehen. Wenn die Politik in den nächsten vier Jahren die Standortbedingungen nicht deutlich verbessert, dann kommt Deutschland aus dem Tief nicht mehr heraus." 

Drittes Rezessionsjahr in Folge steht an

Nach den Rückmeldungen aus der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage, die gerade ausgewertet und Mitte Februar veröffentlicht wird, erwartet die DIHK für 2025 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent und damit das dritte Rezessionsjahr in Folge. Unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahlen gelte deshalb, so Melnikov: "Wir müssen bei jedem durchdringen, egal, wer regiert." 

"Ich hoffe, dass wir jetzt endlich wieder über Wirtschaft reden", so der Appell der DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Denn das ist bis zur Wahl und vor allem danach bitter nötig." Als die vordringlichsten von der künftigen Bundesregierung anzupackenden Themen nannte sie Bürokratie, Steuern, Energie, Fachkräfte und Infrastruktur: "Es gibt so viel zu tun." 

Dazu gehöre "vor allem auch weglassen und abschaffen", sagte Melnikov. Von 2019 bis 2024 habe die EU 13.000 Gesetze und Resolutionen erlassen, denen auch noch delegierte Rechtsakte folgten. Die Lösung? "Streichen, streichen, streichen", forderte sie. "Regierung und EU-Kommission sollten sich das Ziel setzen, für jede neue Vorschrift mindestens zwei bestehende abzuschaffen."

Gutes Umfeld für alle statt Geschenke für einzelne

Zum Thema Industriepolitik stellte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin klar, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, zu entscheiden, welches Unternehmen beschenkt und welches ignoriert werde. "Die freie Entwicklung der Märkte ist entscheidend, gerade in einer Zeit, in der sich mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz so viel in der Wirtschaft verändert. Wir können den Strukturwandel nicht aufhalten."

So sei es etwa "völlig paradox, wenn die Energiepreise durch Grundsatzentscheidungen der Politik erst hochgetrieben werden und dann durch spezielle Förderprogramme für einzelne Unternehmen oder Branchen runtersubventioniert werden", kritisierte sie. Aufgabe des Staates sei es, für ein Umfeld zu sorgen, in dem Betriebe die Transformation auch meistern können. Dazu gehörten beispielsweise staatliche Garantien für eine flächendeckende Infrastruktur oder Lieferverträge mit zuverlässigen Partnerstaaten. 

Offenheit statt Abschottung

"Die deutsche Wirtschaft lebt von Offenheit, nicht von Abschottung", kommentierte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin die aktuelle Migrationsdebatte. "Deutschland ist damit groß und wirtschaftlich stark geworden, dass wir im Ausland Waren gekauft, weiterverarbeitet und wieder exportiert haben." Das gehe nur mit offenen Grenzen. "Wir müssen den freien Warenverkehr laufen lassen, und die Menschen, die wir für den Arbeitsmarkt brauchen, sollten wir nicht abschrecken."

Bei den Parteien, die miteinander eine Regierung bilden wollten, sehe sie ein klares Bekenntnis zu verstärkter Zuwanderung von Fachkräften, so Melnikov. Die politischen Forderungen der AfD bedeuten nach ihrer Einschätzung "für die Wirtschaft nichts Gutes", und mit Blick auf die neue US-Präsidentschaft erinnerte sie an die erste Amtszeit von Donald Trump, in der die EU einen Deal mit dem Präsidenten getroffen habe. "Wir haben auch heute Argumente, die wir Trumps Drohungen entgegensetzen können", erinnerte sie. "Man muss sich jedenfalls nicht voreilig klein machen." Wenn gar nichts mehr gehe, seien auch Gegenzölle ein Mittel. "Damit sollte man sehr vorsichtig sein, aber sie sollten immer auf dem Tisch liegen."

Das komplette Interview gibt es auf der Website des "Handelsblatt"

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Porträtfoto Valerie Merz
Valerie Merz Referentin der Hauptgeschäftsführerin

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Stefanie Koenig, Referentin des Hauptgeschäftsführers, im Haus der Deutschen Wirtschaft
Stefanie Koenig Referentin der Hauptgeschäftsführerin

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Ohlig, Dominik_WEB
Dominik Ohlig Pressesprecher – Chef vom Dienst